Was ist Jujitsu ?
= "Ju" heißt flexibel, sanft, weich
= "jitsu" bedeutet Kunst oder Technik
Jujitsu ist eine japanische waffenlose Kampfkunst, die durch das grundlegende Prinzip des "Siegens durch Nachgeben" charakterisiert ist. Dies bedeutet, daß der Verteidiger sich dem Angriff nicht starr entgegenstellt, indem Kraft gegen Kraft gesetzt wird, sondern die Attacke ablenkt, sie ins Leere laufen läßt, mit dem Angreifer mitgeht und letztlich dessen Schwung so umlenkt, daß er sich gegen diesen selbst kehrt.
Ursprünglich meinte ju die Außergefechtsetzung, eventuell sogar Tötung des Gegners, im Gegensatz etwa zum Schwertkampf ohne Blutvergießen, ja oft überhaupt ohne sichtbare Verletzung. Schon während der stabileren Periode des Tokugawa-Shogunats (1600-1867), dann in neuerer Zeit seit der "Neuen Ära" der Meiji-Dynastie ab 1868, wird mit ju auf den weitgehenden Verzicht auf Kraftanwendung und das Prinzip des "Siegens durch Nachgeben" hingewiesen.
"Jujitsu" ist jedoch eigentlich nur eine Sammelbezeichnung für eine Vielzahl verschiedener Stile und Schulen. Insgesamt gab es 725 dokumentierte Schulen, von denen jedoch nur rund 12 überlebt haben. Im SHOBUKAI AUSTRIA bzw. von seinen Repräsentanten am Universitäts-Sportinstitut Wien wird die KAWAISHI RYU (Kawaishi-Schule) , eine Variante der Tenjin Shinyo Ryu , gelehrt, von der sie sich augenfällig nur insofern unterscheidet, als sie gegenüber den kurzen, geraden, direkten Eingängen die ausweichenden, runden und indirekten bevorzugt.
Kawaishi
Jujitsu entstand im Mittelalter in der Samurai-Kaste Japans aus der Notwendigkeit einer effektiven Verteidigung auch noch nach Verlust der eigenen Waffen. Auch heute noch ist die Effektivität in der Selbstverteidigung einer der wichtigsten Leitgedanken im Jujitsu. Das breite Spektrum an Techniken ermöglicht eine angepaßte und flexible Reaktion auf die unterschiedlichsten Angriffsformen und bietet für jeden Jujitsu-Betreibenden die für seinen Körperbau und seine Mentalität individuell passenden Techniken. Im Jujitsu ist der Einsatz von Kraft bei korrekter Ausführung der Techniken nicht notwendig und wird sogar als Fehler betrachtet.
Durch das Training des Jujitsu werden die allgemeine Konstitution gestärkt und die Koordination, das Gleichgewicht, die Aufmerksamkeit, die Wahrnehmung sowie die verständnismäßige und intuitive Erfassung biomechanischer Zusammenhänge gefördert. Traditionelles japanisches Jujitsu, wie es im Shobukai Austria gelehrt wird, geht jedoch (wie auch andere echte Budo) über den sportlichen Aspekt und die Selbstverteidigung hinaus. Es ist eine die Persönlichkeit und den Charakter formende, philosophisch geprägte Übung und Kunst auf den Grundlagen des Zen-Buddhismus. Letzten Endes ist das höchste Ziel im Jujitsu nicht ein Sieg im Kampf, in dem der Gegner verletzt oder gar getötet wird, sondern die Überwindung des Angreifers ohne Kampf.
Geschichte
Jujitsu entwickelte sich in Japan aus der im frühen Mittelalter der Kamakura-Zeit (1192-1333) aufgekommenen waffenlosen Kampfweise des Kumiuchi . Dieses ursprünglich sehr kraftvolle Kumiuchi verfeinerte und differenzierte sich im Hochmittelalter, bis sich schließlich im Spätmittelalter Ende der Muromachi-Zeit (Anfang des 16. Jahrhunderts) in Gestalt erst der Takeuchi Ryu und dann des Taijitsu erstmals Kampfstile mit typischen Merkmalen des Jujitsu herauskristallisiert hatten. Bei beiden stand Atemi (Schlagtechnik) im Vordergrund, sei es in Form von Attacken auf Vitalpunkte, sei es zur Gleichgewichtsbrechung um dann den Gegner durch einen Wurf zu Fall zu bringen, sei es um Aktionen abzuschließen. Daneben setzten sie schon zur Einsparung von Kraft bei Griffen die Hebelwirkung ein. Mitte des 17. Jahrhunderts überformte das vom Chinesen Chen Yuan Ping nach Japan gebrachte chinesische Kempo , eine Wurf-, Schlag- und Stoßtechnik gegen empfindliche Punkte, stellenweise das Jujitsu.
Aus dem Taijitsu differenzierten sich über ein Dutzend Schulen, unter ihnen als eine der frühesten gegen 1690 die Yoshin Ryu (Weidenherzschule) des AKIYAMA Shirobei Yoshitoki. Seine Bedeutung für die Entwicklung des Jujitsu liegt darin, daß er anscheinend als erster systematisch die Angriffsenergie des Gegners durch Ablenkung oder durch eigenes Ausweichen ins Leere laufen ließ. So verlor der Angreifer sein Gleichgewicht und der Impuls der Attacke wandte sich nun gegen ihren Urheber selbst. Akiyama soll dieses Prinzip bei der Beobachtung eines Kirschbaumes und einer Weide im Sturm (bzw. nach einer anderen Version unter Schneelast) entdeckt haben. Die starren Äste des Kirschbaumes brachen, während die geschmeidigen der Weide nachgaben und so das Unwetter unbeschädigt überstanden (bzw. den Schnee abgleiten ließen). Dieses "Siegen durch Nachgeben" wurde im Jujitsu allgemein zum Grundsatz erhoben. Später entstanden u.a. die Tenjin Shinyo Ryu , das Yawara , die Kito Ryu , das Aikijitsu der Daito-Schule oder die Hakko Ryu .
Während der politisch stabileren Periode des Tokugawa-Shogunats (Edo-Periode, 1600-1867) traten gegenüber der praxisbezogenen Effektivität als alleiniger Motivation ideelle, philosophische und spirituelle Werte in den Vordergrund. In vielen Kampfkünsten wurde dies auch äußerlich durch die Ersetzung der Bezeichnung "jitsu" (Technik) mit der Bezeichnung "do" ("Weg") zum Ausdruck gebracht. So wurde z. B. aus dem Kenjitsu das Kendo, aus dem Kyujitsu das Kyudo und aus dem Karatejitsu das Karatedo. Im Jujitsu fand trotz der gleichen Werteverschiebung eine solche Bezeichnungsänderung nicht statt (das Judo wurde erst viel später von KANO Jigoro aus Teilen des Jujitsu unter Weglassung vieler effektiver aber seiner Ansicht nach zu gefährlicher Techniken entwickelt). Ebenfalls ab dem 17. Jahrhundert entwickelten sich das Seifukujitsu und Katsu (die Kunst der Wiederherstellung und ersten Hilfe), welche einen wesentlichen Bestandteil des traditionellen Jujitsu darstellen.
Nach der Öffnung Japans zum Westen im Zuge der Restauration der Meiji-Dynastie ab 1868 brachten Ende des 19. Jahrhunderts Repräsentanten wie z.B. TANI Yukio, UYENISHI Sada Kazu, KOIZUMI Kunji und später KAWAISHI Mikinosuke das Jujitsu auch nach Europa. In Japan selbst führte die Öffnung zum Westen zu einer weitgehenden Zurückdrängung des Jujitsu und des Budo allgemein. Erst durch das Interesse des Arztes und Anthropologen Erwin von Baeltz (1849-1930), einem Professor der Tokioter Universität und Leibarzt des Tenno, kam es zu einem Wiederaufblühen des Jujitsu. Heute wird in Japan Jujitsu nach wie vor kaum in öffentlich zugänglichen Schulen gelehrt wie andere Budo. Vielmehr werden die einzelnen Stile und Schulen nur im geschlossenen Kreis und nach strenger Vorauslese weitergegeben, wobei die Bezeichnung Jujitsu weit weniger verwendet wird als die Bezeichnungen der einzelnen Stile (tlw. wird Yawara synonym für Jujitsu verwendet).
Prinzipien des Jujitsu
" Siegen durch Nachgeben " ist das charakteristischste Prinzip im Jujitsu. Auf der physischen Ebene bedeutet das, daß der Verteidiger sich dem Angriff nicht starr entgegenstellt, sondern die Attacke ablenkt, sie ins Leere laufen läßt und den Schwung des Angreifers ausnützt, indem er ihn gegen den Angreifer selbst verwendet. Auf der psychischen Ebene bedeutet Nachgiebigkeit bzw. Flexibilität, daß der Verteidiger nicht die vorgefaßte Absicht hat, eine ganz bestimmte Technik anzuwenden, sondern daß er sich stets der Bewegung und den Vorgaben des Gegners anpaßt, um so wirklich dessen Kraft gegen ihn selbst zu verwenden. Die Umsetzung dieses Prinzips bedingt einerseits eine profunde Kenntniss einer Vielzahl von Techniken, schnelle Deplazierungen und ein gutes Gefühl für Distanz ( ma-ai ) und Timing, andererseits einen geistigen Zustand der Leerheit, des Nicht-Denkens ( munen ), wo kein Gedanke mehr an eine bestimmte Technik, an den Gegner oder den Ausgang des Kampfes verschwendet wird sondern die richtige Handlung ganz natürlich auf den Angriff folgt "so wie der Funke vom Feuerstein springt, sobald dieser an Stahl schlägt".
Ein weiteres für das Jujitsu charakteristisches Prinzip ist die Ausnutzung der Hebelwirkung zur Vervielfachung des eigenen geringfügigen Krafteinsatzes. Diese Hebelwirkung wird vor allem gegen Gelenke eingesetzt. Man unterscheidet Hand-, Finger-, Arm-, Bein-, Fuß- und Genickhebel.
Auch die Umgehung der Kraft des Gegners ist ein wichtiges Merkmal. Damit ist einerseits gemeint, daß man dort, wo man die Kraft des Gegners überwinden muß, dies nicht auf direktem Wege tut sondern sie umgeht, indem man die lateral zur Kraft des Gegners verlaufenden "schwachen Richtungen" ausnützt. Andererseits ist damit auch gemeint, daß man die eigenen Angriffe gegen jene Regionen richtet, denen der Gegner gerade keine Aufmerksamkeit und Kraft widmet und an denen daher eine größere Wirkung erzielbar ist.
Das Prinzip des Haftens am Gegner und der dauernden Kontrolle ist ebenfalls von großer Bedeutung. Sobald einmal der Kontakt hergestellt ist, darf er nicht mehr verloren gehen. Denn gerade durch diesen Kontakt, durch das Haften am Gegner ist es möglich diesen zu kontrollieren. Besonders beim Übergang von einer Technik in eine andere ist darauf zu achten, daß keinerlei Lücken entstehen.
Ablenkung, Täuschung und Überraschung werden dazu verwendet die eigene zur Durchführung einer Technik notwendige Kraft möglichst gering zu halten etwa bei der Gleichgewichtsbrechung als Einleitung eines Wurfes durch Kiai (gezielter, konzentrierter Schrei) oder Atemi (Schlagtechniken).
Schließlich ist für das Jujitsu der Kawaishi Ryu die Ausnutzung der druck-, schlag- und stoßempfindlichen Punkte ( Kyusho ) und der verschiedensten Reflexe des menschlichen Körpers charakteristisch.
Techniken des Jujitsu
Wir unterscheiden die folgenden Technikgruppen:
- Rolltechniken (chugaeri waza), Falltechniken (ukemi waza), Stellungen (kamae) und Bewegungsformen (shintai)
- Hebeltechniken (kansetsu waza), wobei nach Hand- (tekubi), Finger- (yubi), Arm- (ude), Fuß- (ashikubi) und Zehen- (ashiyubi), Bein- (ashi) und Genickhebeln (kubi waza) differenziert wird
- Beinscheren (dojime waza)
- Würgetechniken (shime waza)
- Transport- (taiho) und Festhaltetechniken (osae waza)
- Wurftechniken (nage waza), bei denen wiederum nach Hand- bzw. Schulterwürfen (te waza), Hüftwürfen (koshi waza), Beinwürfen (ashi waza) und Selbstfallwürfen (sutemi waza) differenziert wird
- Gegentechniken (kaeshi waza)
- Kombinations- und weiterführende Techniken (renzoku waza)
- Schlagtechnik (atemi), wobei unterschieden wird die schlag-, stoß- und druckempfindlichen Punkte (kyusho) und die Schlagtechniken selbst (atewaza) mit Schlägen, Stößen und Drücken der verschiedensten Teile der Arme, der Beine und des Kopfes
Die Trainingseinheiten beginnen mit einem gezielten Aufwärmen und Dehnen. Anschließend folgen einerseits das Erlernen bzw. Wiederholen der Basistechniken (kiso waza) und andererseits die Anwendung derselben in unterschiedlichsten Verteidigungssituationen (fusegi), wobei die folgenden am häufigsten sind:
- Befreiung aus den verschiedensten Fassangriffen, wie etwa Handgelenksumklammerungen, Kleidungfassen, Würgen (im Stand und am Boden), Kopffassen ("Schwitzkasten") und Rumpfumklammerungen
- Abwehr von Schlägen, Stößen und Tritten
- Verteidigung aus der Bodenlage und Bodenarbeit
- Abwehr von Angriffen mit Stock, Messer und sonstigen Waffen
- Verteidigung gegen mehrere Angreifer
Kämpfe, seien es partnerschaftliche Kämpfe zu Übungszwecken (ju-kumite) oder gar Wettkämpfe (shiai) gibt es im traditionellen japanischen Jujitsu nicht. Die Gründe dafür sind einerseits praktische Überlegungen (ein Kampf, in dem alle Techniken des Jujitsu erlaubt sind, würde in kürzester Zeit zu schweren Verletzungen führen - durch die Einführung von Regeln und Beschränkung der Techniken würden aber wesentliche Aspekte des Jujitsu verloren gehen), andererseits bedingen (Wett)kämpfe - so freundschaftlich sie auch immer ausgetragen werden - immer ein Gegeneinander und damit oft eine "Freund-Feind-Stimmung", was mit dem Geist und der Philosophie des Jujitsu unvereinbar wäre.
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